Exkurs: Wann ist Weihnachten?

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Wann ist Weihnachten? Und vor allem: was ist Weihnachten? Und wann darf man eigentlich seinen Weihnachtsbaum aufstellen?

Ich oute mich: seit dem 8. Dezember steht mein Weihnachtsbaum im Wohnzimmer und sorgt allabendlich für wohlig warmes Licht. Sehr zur Verwunderung vieler Menschen in meinem Umfeld – doch warum eigentlich?

Als ich den Baum dank akutem Parpkplatzmangel in den Abendstunden, ordnungsgemäß eingenetzt und bärenstark geschultert, durch die halbe Innenstadt Richtung eigene vier Wände trug, fasste mein Nachbar die Blicke der Menschen unterwegs mit der Aussage “Du bist aber früh dran” treffend zusammen. Und in der Tat, es scheint ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass der Weihnachtsbaum in deutschen Wohnzimmern erst an Heiligabend Einzug hält. Gelernt aus Kindertagen, so war es auch bei uns. Am Tage des 24. Dezember war das Wohnzimmer für uns Kinder Tabuzone, bis am Abend das Christkind vermeintlich mit dem Glöckchen läutete und mein Bruder und ich den Raum stürmten, in der Hoffnung, es dieses Mal noch zu Gesicht zu bekommen. Hat überraschenderweise nie geklappt, in all den Jahren nicht – dafür standen unsere Eltern dort neben einem festlich geschmückten Weihnachtsbaum im ansonsten dunklen Wohnzimmer – ein wunderschöner Anblick, nicht nur für Kinderaugen.

An Traditionen sollte man festhalten, und wenn ich mein lotterhaftes Vagabundenleben eines Tages gegen Seriösität und Familie eingetauscht habe, wird der Baum wieder am 24. Dezember aufgestellt. Doch heute ist die Situation eine andere.
In meiner neuen Herberge ist endlich ausreichend Platz für einen schönen Weihnachtsbaum, und ich kann kaum erklären, wie sehr ich mich auf diesen ersten, richtigen, eigenen Baum gefreut habe. Berufsbedingt sind die Tage vor Weihnachten turbulent  – wie man auch auf diesem Blog bemerkt. Und während ich mich gerade frage, weshalb sich niemand über Osterhasen im Januar und Lebkuchen im September, aber über einen geschmückten Weihnachtsbaum Anfang Dezember wundert, sitze ich im schneefreien Nieselregen in den Schweizer Alpen auf der Radio Regenbogen Pistenparty.
Weihnachten selbst verbringe ich wie viele dann bei meinen Eltern, bevor es kurz nach Silvester wieder auf Reisen geht.
In Summe bleibt also gar nicht so furchtbar viel Zeit, beseelt vor meinem Bäumchen zu sitzen.

Aber genau dieses Gefühl ist es, was für mich Weihnachten ausmacht. Neben der dem Kommerz zum Opfer gefallenen religiösen Komponente ist es die Zeit im Jahr, in der man hofft ein paar ruhige Stunden zu finden und die vergangenen zwölf Monate Revue passieren zu lassen. Für mich ist der Kirchenbesuch am heiligen Abend ein Pflichttermin, obwohl ich mich nicht als sonderlich religiös bezeichnen würde. Wenn am Ende das Licht gedimmt wird und “Stille Nacht” ertönt, habe ich ausnahmsweise mal nicht mein überteuertes Smartphone als vermeintlich unersetzlichen Kontakt zum Rest der Welt in der Hand, sondern denke an die traurigen und schönen Momente des Jahres und die Menschen, die mir wichtig sind. Es geht mir mehr um diese unbezahlbaren Momente der inneren Ruhe; erinnert zu werden, dass wir verglichen mit dem Rest der Welt ein privilegiertes Leben führen, das uns erlaubt, Lebkuchen im September als Problem zu identifizieren.
Kindlich-naiv hoffe ich an diesem Tag, dass möglichst die ganze Welt sich an diesen Tagen Zeit nimmt, im Kreise ihrer Familien unbeschwerte Stunden zu verbringen, wohl wissend, dass die Welt nicht ist wie sie gerne wäre. Wenn man aber genau hinschaut, kann man an Weihnachten entdecken, wie sie sein könnte, wenn wir wollten.

Weihnachten ist vielerorts für viele jedoch Stress. Geschenke auf den letzten Drücker kaufen, hervorragendes Essen für eine 12-köpfige Großfamilie zaubern, das Reisen quer durch die Republik nicht zu vergessen – wir sind sehr gut darin, uns auch an vermeintlich entspannten Tagen unnötig Stress zu machen.
Mein Weihnachtsbaum ist da für mich so etwas wie eine Energiequelle. Er lässt mich an den letzten, hektischen Tagen des Jahres innerlich zur Ruhe kommen. Ich mag Weihnachten, und ich mag Weihnachtsbäume. Kein Mensch wundert sich, dass die festlichen Bäume in Kirchen, auf Märkten und in Geschäften seit dem ersten Advent stehen, aber in den eigenen vier Wänden? Das geht doch nicht!

Doch, das geht. Sehr gut sogar. Denn wenn wir es richtig machen, ist Weihnachten mehr als dieser eine Abend voller Geschenke und exquisitem Essen. Eine Retrospektive. Eine Möglichkeit, anderen und sich selbst Aufmerksamkeit zu schenken.
Ein gutes Gefühl, das länger hält.

 

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