Das Fundament steht.

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Mannheim ist um ein Restaurant reicher. Um eines, dass schon vor seiner Erรถffnung eine spannende Geschichte war und kulinarisch voll zu รผberzeugen weiรŸ.

Dass es diesen Artikel gibt, ist gewissermaรŸen Zufall. Ein Videodreh fรผhrte mich durch die entlegenen Ecken des Jungbusch. Im Hafen, gegenรผber der Schokinag, fรคllt der Blick auf das Ecklokal in der Neckarvorlandstr. mit der wechselhaften Geschichte โ€“ zuletzt war dort โ€žMy heart beats veganโ€œ beheimatet.
Dort herrscht am helllichten Tage rege Betriebsamkeit, eine Baustelle in den letzten Zรผgen gibt den Blick frei auf ein ansprechendes Interieur. Meine angeborene Neugier fรผhrt mich zwei Stufen hinauf, und da fรคllt mir Kai Wienand in Arme.
Er ist gerade dabei, sein erstes, eigenes Restaurant aus der Taufe zu heben, die Erรถffnung steht an diesem heiรŸen Tag kurz bevor. Idealer „Futter“ fรผr einen Test mit Artikel.

Der gelernte Koch startete im Alter von 16 mit einer Ausbildung im Theresienkrankenhaus, die das Sprungbrett war fรผr eine Reise durch die Kรผchen dieser Welt: Hamburg, Frankfurt, Mรผnchen, Berlin, London, Gstaad in der Schweiz, Mallorca โ€“ und immer wieder Mannheim. Viel rumgekommen ist er, und hat in den renommiertesten Kรผchen unterschiedlicheer gearbeitet, nebenbei noch eine zweite Ausbildung zum Konditor erfolgreich abgeschlossen.
Unter anderem fรผr Juan Amador, Tim Mรคlzer, Norbert Dobler Robert Speth war der lernwillige Jungspund im Einsatz, jetzt โ€“ mit 29 Jahren โ€“ ist es Zeit fรผr das erste, eigene Projekt โ€“ das โ€žFundamentโ€œ.

Maximal 32 Personen gleichzeitig prรคsentiert Kai Wienand dort regionale Kรผche auf hohem Niveau, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Nicht ohne Stolz verweist der Grรผnder darauf, das Innere des Restaurants selbst gestaltet zu haben: weiรŸe Wรคnde, helles Holz und gemรผtliche Beleuchtung strahlen Gemรผtlichkeit aus. Quasi aus der Not eine Tugend gemacht, denn wie so oft mangelt es jungen Leuten mit guten Ideen oft an dem nรถtigen Kleingeld, das war und ist auch fรผr Wienand ein Thema: โ€žDie ganze Entstehungsgeschichte ist schon ein wilder Ritt gewesen, mit viel Unterstรผtzung von Freunden und Bekanntenโ€œ. Und selbst das Fernsehen hat sich fรผr die Story begeistert, ein Kamerateam von SAT 1 begleitete das Projekt von Beginn an fรผr eine Sendung, die am 26. Juli ausgestrahlt wird.

Doch die Wahrheit liegt auf dem Teller โ€“ wie sollte es anders sein. Und die schmeckt richtig gut. Die Karte ist klein aber fein: Onglet vom Simmentaler Rind, Pfรคlzer Kรคsefondue, Heilbutt sowie 60 Stunden gegarter Schweinebauch warten am Abend plus ausgewรคhlte Vor-, Zwischen- und Nachspeisen. Die Mittagskarte zeigt mit Salat, Tagespasta, Fisch und Hรผhnchenkeule ein anderes Gesicht. ร„uรŸerst erfreulich: preislich reiรŸt fast nichts die 20-Euro-Marke, die Mittagskarte macht sogar Lunch auf hohem Niveau fรผr unter 10 Euro mรถglich.

Tagespasta:
Nudeln mit frischem Gemรผse, Walnรผssen und Zitronenrahm โ€“ 8,50 โ‚ฌ
Mein Test zum Lunch: eine groรŸe Portion Pasta mit dem frischen Geschmack von Zitrone und knackigem Gemรผse, sehenswert angerichtet und mit der nรถtigen Prise Pepp durch Walnuss und Gewรผrze. GroรŸartiges Preis-Leistungs-Verhรคltnis, geschmacklich top!

 

Tartar von der Forelle:
Forellenkaviar (Forellenzucht Kreuzer, Fischbachtal) mit Gurke, Schwarzer Erde und Meerrettich โ€“ 8,50 โ‚ฌ
Im Rahmen der Erรถffnung kam ich in den Genuss dieser Leckerei, die mich sehr positiv รผberraschte. Die โ€žschwarze Erdeโ€œ ist optisch als Salatbett ein Clou, der lecker schmeckt und zur der knackig-weichen Konsistenz des Forellenkaviars die perfekte Ergรคnzung ist.

 

Kartoffelsuppe mit Bioei und Sauerteigbrot โ€“ 6,50 โ‚ฌ
Als bekennender Suppenkasper konnte ich daran beim Dinnerbesuch nicht vorbeigehen โ€“ und wurde belohnt. Herrlich natรผrlicher Kartoffelgeschmack, ansprechend serviert in einer Teekanne.

Unser Hauptgang am Abend war indes kein dauerhafter Vertreter der Karte, sondern Teil eines รœberraschungsmenรผs mit vier Gรคngen: Schwarzfederhuhn auf der Haut gebraten mit Blumenkohlcreme und Blattspinat an Rauchschaum. Eindrucksvolle, geschmackliche Vielfalt, die im Zusammenspiel ihre Wirkung entfaltet.

 

So kรถnnte man ewig weitermachen, doch es ist Zeit fรผr ein Zwischenfazit: Kai Wienand weiรŸ was er tut. Vor allem in der Kรผche. Dass ist zugebenermaรŸen keine neue Erkenntnis, denn vor fast drei Jahren habe ich schon mal sein Projekt โ€žSonntagsmenรผโ€œ vorgestellt, bei dem er in die eigenen vier Wรคnde kommt und ein Menรผ zaubert (hier gehtโ€™s zum Artikel von damals: http://mannheim.at/der-stern-fuer-deine-kueche/).
Doch Kai ist vor allem eines nicht: ein Lautsprecher. Er macht wenig Aufhebens um seine Person, auf der Bรผhne im Rampenlicht bei der Erรถffnung fรผhlte er sich sichtlich weniger heimisch als in der Kรผche. Und gerade das macht ihn und sein neues Restaurant so sympathisch. Anspruchsvolle Kรผche zu anstรคndigen Preisen.

Doch dieser Schritt ist eine neue Dimension โ€“ in jeder Hinsicht. Das erste, eigene Restaurant, die Verwirklichung eigener Ideen โ€“ am Herd und im Gastraum, auf dem Teller und im Glas.
Kai Wienand und seinem handverlesenen, zuvorkommenden Kรผchen- und Serviceteam gelingt vom Start weg eine Mischung, die SpaรŸ macht und schmeckt.
Und somit definitiv mehr als einen Besuch wert ist.

Kleiner Tipp nebenbei: Kais Bruder, niemand geringeres als der Tausendsassa Jens Wienand, unterstรผtzt seinen „kleinen“ Bruder nicht nur in Sachen Marketing, er bringt auch buntes Programm aus seinem Repertoire auf die kleine Bรผhne im Fundament. Mehr Infos dazu gibt es hier: jenswienand.com

Restaurant Fundament
Neckarvorlandstr. 17

ร–ffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 12.00 – 14.30 Uhr
Sonntag: 12.00 – 14.30 Uhr
Dienstag bis Samstag: 18.00 – 23.00 Uhr
Montag Ruhetag

www.fundament-restaurant.de
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5 Antworten zu „Das Fundament steht.“

  1. Avatar von h.
    h.

    Hat grade noch gefehlt neben der Craftbeerbar, dem „netten Franzosen“ der seinen Scheisstisch auch gerne mal mitten auf die StraรŸe (neben die spielenden Armeleutekinder, das ist ja so authentisch) stellt, dem unertrรคglich spiessigen Hipsterburgerbrater, dem grauseligen Hagestolz, und wie sie alle heiรŸen. Diese Viertel wurde in Rekordzeit kaputtgentrifiziert. Herzlichen Glรผckwunsch. Ich brauch euch nicht.

    1. Avatar von Maximilian (Mannheimat)
      Maximilian (Mannheimat)

      Es sei mal die Frage in den Raum geworfen: war vorher mit all den Spelunken und fragwรผrdigen Etablissements alles besser? Daran wage ich zu zweifeln. Auch wenn nicht jeder Laden dort meinen Geschmack trifft, ist dort doch im Vergleich vieles besser geworden.

    2. Avatar von D.A.
      D.A.

      Dann Tschรผss ??
      Dein nรคchstes Szeneviertel sind die Benzbarracken…!

    3. Avatar von Trebon
      Trebon

      Auf alle Fรคlle irgendwie treffend formuliert.

    4. Avatar von Ralf Mager
      Ralf Mager

      Ich hab lange รผberlegt, ob ich das kommentieren soll, aber was Mannheim ausmacht ist die Vielfalt und das auch arme Kinder mit dem โ€žnetten Franzosenโ€œ in Berรผhrung kommen, der seinen Scheisstisch auch gerne mal mitten auf die StraรŸe stellt, sehe ich eher als positiv. Dass sich die Mieten im Jungbusch erhรถhen werden ist ein Effekt der vielschichtig ist und nach einer politischen Lรถsung ruft. Wenn es aber ein so top ausgebildeter Koch auch einem Studentengeldbeutel ermรถglicht sein wirklich leckeres, auf raffinierte Weise mit natรผrlichen Aromen gezaubertes Essen so ansprechend zu servieren, dann habe ich vor so jemanden hรถchsten Respekt.

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