Nächster OB: Weniger wollen, mehr machen

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Egal wer im Juni das höchste Amt der Stadt übernimmt: Was die letzten 16 Jahre zu „Kurz“ kam, wird sich als amtliche Hypothek erweisen und Handeln erfordern.

Eine Ära geht zu Ende in diesem Jahr. Seit 2007 leitet Dr. Peter Kurz als Oberbürgermeister die Geschicke der Quadratestadt. Zwei achtjährige Amtszeiten – doch jetzt ist Schluss.
Der gebürtige Mannheimer hat sich entschieden, nicht nochmal zur Verfügung zu stehen.
Und das aus gutem Grund: Wenn am 18. Juni der Chefsessel im Rathaus neu vergeben wird, ist die BUGA mitten am Laufen – und sie dürfte der abschließende Höhepunkt der Kurz-Ära mit einer langen Liste voller Prestigeprojekte werden, die sich so kaum weiterführen lässt.

Während der Start von SAP Arena und Popakademie noch kurz vor den Dienstbeginn von Kurz fallen, sind 400-Jahr-Jubiläum der Stadt, Schlosssanierung, Bau der Kunsthalle, Q6Q7 und Plankenumbau, zahlreiche Gründungszentren, neue Stadtquartiere auf Konversionsflächen, neue Feuerwachen, Großkraftwerk, Sanierung des Nationaltheaters, Umbau des Bahnhofsplatzes und das Mammutprojekt BUGA eine lange, aber keineswegs vollständige (und schon gar nicht chronologische) Liste an Leuchtturmprojekten, die Mannheim sein heutiges Gesicht geben.
Dass die Schere zum Durchschneiden all der roten Bänder langsam altersschwach werden dürfte, macht indes nichts, denn die kurz- und mittelfristige Zukunft dürfte weitaus weniger Glamour-und Blitzlicht-geprägt sein als die jüngere Vergangenheit.

Mit der durchaus streitbaren BUGA sind die großen Steine alle ins Rollen gebracht worden. Ich bin sicher, das war auch Peter Kurz bewusst, als er seine Entscheidung über eine weitere Amtszeit traf. Gehen, wenn’s am schönsten ist – eine alte Redewendung dürfte hier eine gewichtige Rolle spielen. 

Denn, auch das ist Teil der Wahrheit, neben den prestigeträchtigen, großen Baustellen, die abgearbeitet sind, gleicht Mannheim einer einzigen Großbaustelle. Gut sichtbar im Stadtbild, aber durchaus auch sinnbildlich. Die Probleme schreien einen im Schatten der Glanzpunkte nahezu an jeder Ecke an, und wenn man sagt, dass da in der jüngeren Vergangenheit beherzt angepackt wurde, kann man getrost der dreisten Lüge bezichtigt werden.
Aktuelle Meldungen, in denen die Stadt beim Fahrlachtunnel reumütig „Versagen“ einräumt oder die Brücke über den Rangierbahnhof plötzlich marode ist, stehen exemplarisch für eine Politik, die dringend anpackender und lösungsorientierter gestaltet werden muss. 

Es ist das eine, mit welchen Visionen die Kandidaten um den OB-Posten in den Wahlkampf und am Ende ins Rathaus ziehen. Wichtiger dürfte aber in den kommenden Jahren werden, die mannigfaltigen Probleme der Stadt kraftvoll anzugehen. Abseits der schönen Postkartenmotive und roten Bänder wollen zahlreiche Aufgaben gelöst werden, die vor allem eines nicht versprechen: schnellen Glamour. Verkehr und Verkehrsversuch sind ein Desaster, befeuert durch städtisches „Versagen“. Es spricht Bände, wenn mir Stadträte auf Nachfrage nicht erklären können, warum der Fahrlachtunnel gefühlt bis ans Ende des Jahrhunderts geschlossen bleiben muss oder an der Brücke vor der ABB nichts geschieht. Wer meint, es steht gut um die digitale Verwaltung der Stadt, der möge in seinen Abfallkalender kleinteilige Aufkleber friemeln oder sich den Luxus gönnen, spontan einen Termin bei den Bürgerdiensten zu brauchen. Das Leuchtturmprojekt BUGA muss am Ende samt temporärer Seilbahn rückabgewickelt werden und auch den unbequemen Themen Sauberkeit, Sicherheit und Schönheit der Stadt muss man sich irgendwann mal widmen.

Die Krux dabei: Für vieles davon haben die Bürger kaum noch Verständnis, manches muss man besser erklären. Denn das notwendige Fitmachen Mannheims für die Zukunft wird weder geräusch- noch schmerzlos von Statten gehen. Eingebettet in allgemein unsichere Zeiten des Wandels und abhängig von linksrheinischen Themen wird es viel kleinteiliges, anstrengendes Tagewerk erfordern, das erklärt und sozialverträglich gestaltet werden will. 

Das wird im Einzelnen selten zu Beifallsstürmen führen, sehr wohl aber wartet der Topf voll Gold am Ende der beschwerlichen Reise. Und auch das lässt sich mit sprachkundlicher Weisheit belegen: Erst der Fleiß, dann der Preis.

Eine gute Nachricht in all dem Trübsal gibt es in meinen Augen trotzdem: Die Kandidaten Thorsten Riehle und Christ ian Specht sind nahbare, offene Charaktere, denen der notwendige, empathische Dialog auf der Bierbank gut liegen dürfte. Denn, bei aller Sympathie für die Glanzpunkte unserer Stadt: mit dem Ende der BUGA sollten städtebauliche Visionen auserzählt sein und die politische Flughöhe reduziert werden, um die anstehenden Aufgaben in den Blick nehmen können. OB das gutgeht? 

*Hinweis: Auf sprachvergewaltigendes Gendern verzichte ich bewusst. Die verwendeten Formen schließen explizit alle Geschlechtsformen ein. 

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