Heimspiel mit Kratzen im Hals

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Was wenn alles gut geht? Und geht alles gut? Geht es. Laith Al-Deens Heimkonzert am vergangenen Sonntag im Mannheimer Capitol war nicht nur von vorne bis hinten groรŸartige Unterhaltung, sondern auch ein Abend, der gleich mehrere interessante Detailfragen beantwortete.

Es ist wohl fรผr Kรผnstler und Publikum gleichermaรŸen ein besonderer Tag, wenn man im Rahmen einer Tour in seiner Heimatstadt die Bรผhne betritt. Laith Al-Deen, halber Iraker und gefรผhltes Mannheimer Urgestein, lud seine Gรคste ins Capitol, um Ihnen in einem etwas mehr als zweistรผndigen Konzert Songs aus seinem aktuellen Album „Was wenn es gut geht“ zu prรคsentieren. Der Saal des ehemaligen Lichtspielhauses am Alten Messplatz war voll bis auf den letzten Platz, das Publikum in den besten Jahren des Lebens. ErwartungsgemรครŸ viele Pรคrchen, junge Eltern – eindeutig weiblich dominiert. Oder um es wie einst Michael Bublรฉ in der SAP Arena auszudrรผcken: Danke an die Mรคnner – man ahnt, dass viele mehr liebevolle Begleitung als รผberzeugte Laith Al-Deen-Fans sind.

Der Abend an sich startet mit einer Vorband, wobei Band in diesem Fall der falsche Ausdruck ist. Alex Diehl stimmt das Publikum auf das Konzert ein, begleitet von seinem Pianisten. Und wie. Gesegnet mit einer unfassbar vielseitigen Stimme zog er von den ersten Tรถnen an die Menge in seinen Bann. Seine Songs allesamt traurig, nachdenklich, ruhig – und doch melodiรถs und wunderbar schรถn. Garniert mit autobiographischen Anekdoten, emotional vorgetragen mit fรผr junge Kรผnstlern oft typische, im Wahn nach Perfektionismus noch nicht fein geschliffener Authentizitรคt – das ging unter die Haut und bleibt in Erinnerung. Und es ist fรผr Zuhรถrer wie den Kรผnstler selbst wohl besonders, wenn das Publikum den Auftritt als unbekannte Vorband mit stehenden Ovationen und lauten Zugaberufen bedenkt. Der hรถchst sympatische Bayer, unweit der รถsterreichischen Grenze zuhause, hat im vergangenen Jahr sein Debรผtalbum „Ein Leben lang“ released, das bei Amazon mit vollen 5 Sternen die Kรคufer รผberzeugt, und manch einer einfach nur zufรคllig im Vorprogramm von Laith Al-Deen auf Alex Diehl gestoรŸen. Zu hรถren gab es auch es auch ganz neue Songs, die auf dem ersten Album nicht sind wie „Bitte werde nie ein Song“ – das hat Potential und passt perfekt. Da kann man sich auf mehr freuen.

Dann, gegen halb neun, betritt Laith Al-Deen mit seiner Band die Bรผhne. Was sofort auffรคllt: groรŸes Brimborium oder selbstverliebtes Gehabe sind ihm fremd, der Gang auf die Bรผhne mit der Band erfreulich sachlich – und das bleibt auch รผber den Rest des Abends so. รœberhaupt spielt die Tatsache, dass er auf der atmosphรคrisch besten Bรผhne seiner Mannheimat vor ausverkauftem Haus spielt, nur eine kleine Rolle. Ein paar kurze GrรผรŸe an Freunde und Familie auf dem Oberrang, ein paar Worte in kurpfรคlzischem Gewand zwischendrin – das war es. Ansonsten รผberzeugen Band und Musiker mit perfektem Sound und einer einfachen aber zum Konzert passenden, wunderschรถn abgestimmten Lichtshow. Stimmungen und Atmosphรคre kommen perfekt rรผber – ganz gleich ob es die ruhige Unplugged-Version von „Jetzt, hier, immer“ ohne Band als Zugabe ist, die dem Autor dieses Blogs aus persรถnlichen Grรผnden sehr am Herzen liegt oder die aktuelle Single „Nur wenn sie daenzt“, die mit elektronischen Clubelementen neue Seiten von Laith Al-Deens Repertoire zeigt.

http://www.youtube.com/watch?v=n7uozjPSgXA

Stichwort Stimmung: das Mannheimer Capitol ist und bleibt eine ganz wunderbare Adresse fรผr Live-Konzerte: der breite Raum vor der breiten Bรผhne machen die Kรผnstler erlebbar, selbst aus der letzten Reihe hat man das Gefรผhl, mittendrin zu sein. Dazu die hervorragende Akustik und das stilvolle Ambiente des alten Kinos – ein atmosphรคrischen Gesamtpaket, das groรŸe, schlauchartige Hallen kaum bieten kรถnnen.

Interessant zu sehen bei Kรผnstlern, deren grรถรŸter kommerzieller Erfolg oft ganz am Beginn ihrer groรŸen Karriere stand, ist der Umgang mit den „alten“ Hits. Mancher spielt sie gar nicht mehr, anderer verfremdet sie total. Laith Al-Deen entschied sich fรผr einen Weg der Mitte und packt die Songs wie „Alles an Dir“ und allen voran „Bilder von Dir“ in ein musikalisch neues, zeitgemรครŸes Gewand, ohne den ursprรผnglichen Charakter zu verfremden – eine gute Entscheidung zugunsten des Publikums.

Stichwort Publikum: was zwischen all den glรผcklich und teils schon lange verliebten Pรคrchen massiv nerven kann, sind zwei halbstarke Hipster-Teenager mit fragwรผrdig schickem Undercut, die das erste Bier ihres Lebens trinken (beim Komasaufen geht’s ja sonst hรคrter zu) und dann das laufende Konzert samt Protagonisten auf der Bรผhne hรคmisch zu kommentieren mit ironischem Applaus und Wortbeitrรคgen, die man hier aus Grรผnden guter Kinderstube nicht wiederholt. Blรถd fรผr die beiden, dass ihnen erst nach dem Beginn des Konzerts aufgefallen ist, das Laith Al-Deen singt und nicht Unterwรคschemodel und Photoshop-Testimonial Justin Bieber. Noch blรถder fรผr die Menschen in direkter Umgebung, die sich das prepubertรคre und entsprechend sinnfreie Gequatsche gezwungenermaรŸen anhรถren mussten.

Der einzige Wehrmutstropfen eines wirklich tollen Abends mit dem leicht krรคnkelnden Laith Al-Deen und seinem wunderbaren Support Alex Diehl kurz im Rahmen seiner Deutschland-Tour, die nach den Konzerten in Nรผrnberg und Mรผnchen diese Woche endet.

Relevante Links:
www.laith.de
www.alex-diehl.de

 

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