Stillos und wenig kunstvoll: die Diskussion um die Kunsthalle

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Diskutiert wird รผber den geplanten Neubau der Mannheimer Kunsthalle schon lange, und das auf einem Niveau, das ab und an sogar der Bild-Zeitung die Schamesrรถte ins Gesicht treiben dรผrfte.

Nachdem der Landtag zuletzt zwei Petitionen abgewiesen hat, steht dem Abriss und Neubau der Kunsthalle am Friedrichsplatz nun rechtlich nichts mehr im Wege โ€“und so soll es nรคchste Woche wohl losgehen.

Medial ist der bevorstehende Abriss des Mitzlaffbaus ein verdammt heiรŸes Sรผppchen, das zuletzt trotz Gefahr des รœberkochens weiter auf groรŸer Flamme vor sich hin brodelte. Ob das รถffentliche Interesse an der Diskussion wirklich so groรŸ ist, wie es deren Intensitรคt vermuten lรคsst, wage ich zu bezweifeln, und einige Fakten scheinen da auch eine andere Sprache zu sprechen โ€“ Respekt und Sachlichkeit sind der hitzigen Diskussion auf jeden Fall schon frรผh abhanden gekommen.
Man kann zu dem Neubau stehen wie man will โ€“ ob er รผberhaupt nรถtig ist und ob der zu realisierende Entwurf ein groรŸer Wurf ist. Letzteres ist Geschmackssache, ersteres eine Frage, die verschiedene Experten unterschiedlich beantworten. Mit gutem Geschmack hat eines aber ganz sicher nichts mehr zu: die Debattenkultur der Bรผrgerinitiative Kunsthalle Mannheim.

Ich bin ein groรŸer Freund von Demokratie und freien Meinungen, aber die Grenzen zur Respektlosigkeit sollten maรŸgebend sein und das Recht auf freie Meinung fรผr alle gelten. Die eigentliche Sache der Bรผrgerinitiative – unterstรผtzenswert. Es sind berechtigte Fragen: Ist ein Neubau notwendig oder ist es so wie vermeintlich oft, dass Politiker lieber Neubauten einweihen als Sanierungen wiedererรถffnen? Stรถrt der Neubau das optische Bild der Jugendstilanlage Friedrichsplatz? Laufen die Kosten am Ende wie bei vielen Bauprojekten รถffentlicher Hand aus dem Ruder? Nur: auf manche Fragen gibt es kontrรคre Antworten, und wiederum andere Fragen sind schlicht Fragen des persรถnlichen Geschmacks oder zum jetzigen Zeitpunkt reinste Kaffeesatzleserei.
Die von der Bรผrgerinitiative angefรผhrte Petition haben bis zum Abschluss gerade mal etwas mehr als 3.000 Unterstรผtzer unterzeichnet, und das bei einer sehr langen Laufzeit. Knapp รผber 3.600 Stimmen haben zuletzt รผber die viel diskutierte und wahrlich katastrophale Besetzung eines Gemeinderatssitzes entschieden โ€“ 1,1 Prozent der Stimmen. Allzu groรŸen Erfolg wรผrde ich der Petition demnach nicht zusprechen, zumal die Hรผrde zur Teilnahme weitaus geringer ist als bei einer Wahl โ€“ man muss dazu nicht einmal das Haus verlassen: wenige Klicks am PC genรผgen.
Knapp 70 Millionen Euro soll die neue Kunsthalle kosten โ€“ 50 Millionen davon kommen als Spende eines einzigen Mannes: Hans-Werner Hector โ€“ die an einen Neubau gekoppelt ist. Bleibt alles bei den geplanten Kosten, bekommt die Stadt Mannheim eine neue Kunsthalle zu einem sehr gรผnstigen Preis. Die Art der Spende ist dabei typisch fรผr die Riege der SAP-Grรผnder: den Lรถwenanteil รผbernehmen, aber nicht alles, um auch Andere zu Unterstรผtzung statt warmer Worte zu bewegen – eine Praxis, die gerne Schule machen dรผrfte.
Die wachsweiche Diskussion mit je nach Faktenlage wechselnden Forderungen empfinde ich, ungeachtet des persรถnlichen Geschmacks des Neubaus, als respektlos gegenรผber dem Engagement des Spenders Hector. Erst bitte gar nicht neu bauen, dann doch neu bauen, aber ganz woanders und den Mitzlaffbau stehen lassen. Und woher fรผr die dennoch notwendige Sanierung das Geld nehmen?

Man kann รผber das Thema stundenlang diskutieren, weil es kein schlichtes โ€žRichtigโ€œ oder โ€žFalschโ€œ gibt. Einen gemeinsamen Nenner wird man dabei – auch das ist Demokratie – wahrscheinlich nicht finden. Was man dafรผr findet, sind mit zuletzt schwindenden Optionen und knapper werdender Zeit immer skurrilere รถffentliche Ausfรผhrungen. Da wird Mรผll von Fast-Food-Ketten am Wasserturm gleichgesetzt mit dem Schaden, den die neue Kunsthalle am Friedrichsplatz anrichtet. Oder der beliebte aber deswegen noch lange nicht richtige Vergleich von ร„pfeln und Birnen: eine Sanierung in Ludwigshafen gab es fรผr unter fรผnf Millionen Euro, dann kann das ja in Mannheim kaum teurer sein. Doch als eigentlicher Abgesang auf die von der Bรผrgerinitiative eingeforderte Meinungsfreiheit werden kritische Kommentare auf Facebook gelรถscht. Die โ€žSocial Responseโ€œ auf die stetigen Ausfรผhrungen des Personenaccounts halten sich in Grenzen, und wenn man dann wie ich die Frechheit besitzt, das Diskussionsniveau zu hinterfragen, wird der Kommentar – welch Ironie – kommentarlos gelรถscht. Von der, egal wie formaljuristisch richtig sie sein mag, fast schon peinlichen Aktion mit dem Loch-im-Boden-Kunstwerk, welches dem Abriss zum Opfer fallen wird, mal ganz zu schweigen.

Das hat mit Kultur und Kunst nichts zu tun und wird der Sache und dem Anspruch der Protagonisten nicht gerecht. Und das ist schade. Aus vielen Grรผnden. Zum Einen weil man so ein sinnvolles Anliegen mit berechtigten Fragen zu einer Nerv tรถtenden, unsachlichen Persiflage macht. Warum muss ein so โ€žjungesโ€œ Gebรคude schon wieder abgerissen werden? Warum schaffen wir es seit 1945 nicht mehr, Architekturstile zu entwickeln, an denen man lรคnger als zehn Jahre SpaรŸ hat? Diese Fragen hรคtten einen sachlichen Diskurs verdient, doch den gibt es nicht wirklich. Und die eigentliche Frage stellt sich auf der Metaebene: wie sollen in einer Demokratie lokal brisante Entscheidungen getroffen werden? Sind es nicht weniger Expertisen denn persรถnliches Gusto, groรŸe Emotionalitรคt und direkte Betroffenheit, die die vermeintliche รถffentliche Meinung machen? Sollen die Entscheidungen von per Wahl legitimierten Vertreter getroffen werden oder brauchen wir jetzt fรผr jede Baumpflanzung einen Bรผrgerentscheid? Eine spannende Frage. Wie schwierig und trรผgerisch ein โ€žJaโ€œ des Souverรคns sein kann, konnte man ja bei der BUGA-Entscheidung bestaunen. Ich glaube, den einen richtigen Weg per se gibt es nicht. Aber in dem Moment, in dem man fรผr effekthaschenden Populismus Sachlichkeit und Respekt an der Garderobe abgibt, gibt es auf allen Plรคtzen nur Verlierer. Der dabei GrรถรŸte von allen: die Sache an sich.

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